Der Menschentäter

 

 Diese Geschichte bedarf einer Vorbemerkung: Ich versichere zunächst, dass ich die Franken für einen äußerst sympathischen Volksstamm halte. Unter anderem sind sie nicht nur sehr clever, sie haben auch eine heitere Sprache. Außerdem gebe ich öffentlich bekannt, dass ich mir nach dem Vorfall einen Termin bei meinem Ohrenarzt besorgte. Schließlich zeigt die Begebenheit recht anschaulich, was passiert, wenn zwei Weltsprachen aufeinander treffen, und dass unser Verständnis der Welt weniger von den Sinneseindrücken abhängt als von dem, was unser Gehirn daraus macht.  Kommunikation ist geprägt vom Vorverständnis der Beteiligten. In diesem Zusammenhang ist es nützlich zu wissen, dass ich in einem Amt tätig bin, wo man sich mehr oder weniger mit Menschen und ihren Taten befasst.

 

Es geschah also Folgendes: in meinem Büro klingelte das Telefon. Beim Abheben fiel mein Blick auf das Display, das eine unverständliche Zeichen- und Ziffernfolge zeigte. Meine Gedanken hingen noch an der Sache, mit der ich mich gerade beschäftigt hatte, und ich war unkonzentriert, als sich der Anrufer meldete. Es handelte sich, seiner Stimme nach zu urteilen, um einen Mann mittleren Alters. Er redete schnell und vor allem nuschelnd. Ich verstand  nichts, meinte jedoch zu erkennen, dass er die deutsche Sprache verwendete. Ich sagte zu ihm: entschuldigen Sie bitte, ich habe weder Ihren Namen verstanden noch von welcher Einrichtung Sie anrufen noch worum es geht. Darauf war er hörbar bemüht, deutlicher zu sprechen und ich erkannte, dass er fränkisch sprach. Er behauptete, er sei von der Firma „der Menschentäter“ und es gehe um mein Telefon. In solchen Momenten funktioniert mein Gehirn schnell und präzise. Ich dachte messerscharf: ein Querulant, wahrscheinlich paranoid schizophren. Weil ich ein höflicher Mensch bin und außerdem den Dingen gerne auf den Grund gehe, legte ich nicht sofort auf. Vielmehr fragte ich mit erhobener Stimme und erstauntem Ausdruck: „Wie bitte, Sie sind von der Firma der Menschentäter und es geht um mein Telefon?“ „Nein“, beteuerte er entschieden und wiederholte, nun langsam, den Namen der Firma. Es blieb derselbe Name. Mir fiel auf, dass er das Personalpronomen nur rudimentär artikulierte und die beiden letzten Silben „däda“ aussprach. Ich war nun sehr hellhörig geworden und schwieg, damit er den Namen ein drittes Mal nannte, was er auch tat. Und da wurde mir schlagartig klar: der Mann ist von einer Firma "Dimension Data".

 

Meine anschließende, nicht enden wollende Heiterkeit verstand er überhaupt nicht. Wahrscheinlich dachte er, ich sei völlig durchgeknallt.

 

Abgedruckt in Starnberger Hefte Nr. 17:   http://starnberger-hefte.de/